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Brief zur Petition: Strom von hier: JETZT!

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Guten Tag Frau Zypries, Frau Hendricks,
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ich möchte bei Ihnen für die Petition „Strom von hier: JETZT“ auf change.org werben (Link). Sie plädiert dafür, dass Regionalstrom in einem 50-km-Umkreis mit geringeren Abgaben belastet wird: Stromverbraucher können erneuerbaren Strom von Anbietern kostengünstiger kaufen, die weniger als 50-km entfernt sind. Die Petition hat jetzt mehr als 400 UnterstützerINNEN gefunden. Sie ist für die Kampagne plakativ formuliert.
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Hier im Petitionsbrief eine differenziertere Darstellung: Regionalen Strom kostengünstiger zu machen, ist aus mehreren Gründen notwendig:
  • Vor-Ort-Verbrauch: Der beste Strom ist der, der in nächster Umgebung erzeugt und verbraucht wird: Geringste Verluste, kaum Netzbelastung.
  • Verteilungsgerechtigkeit: Die kleinen Stromverbraucher bezahlen fast ausschließlich die Förderung erneuerbarer Energien (ins. über die EEG-Umlage). Große Industriebetriebe, die sehr viel Strom verbrauchen, müssen heute keine oder nur geringe Abgaben bezahlen. Eine geringe, langsam steigende Belastung dieser Großverbraucher ist tragbar! Damit werden die Lasten gerechter verteilt.
  • Verursacherprinzip: Wer seinen Strom über große Entfernungen transportieren lassen will, soll auch für die Transportkosten aufkommen! Es geht um die sehr hohen Kosten für den Bau der großen Stromtrassen: 50 Milliarden nach neuesten Schätzungen der Netzbetreiber. Ein begrenzter regionaler Stromhandel belastet dagegen die Netze nur minimal! Warum sollen alle Verbraucher mehrere Cent je kWh für die Finanzierung der großen Trassen bezahlen?
  • Effizienter Trassenausbau: Wenn ein regionaler Ausgleich von volatiler EE-Stromerzeugung mit dem Stromverbrauch erfolgt, z.B. auch mit kleinen Gaskraftwerken oder BHKW, sinken die Kosten für das Übertragungsnetz signifikant. 
  • Regionale Projekte rentabel machen: Im derzeitigen Finanzierungssystem lohnen sich lokale Projekte nur mit Förderung, Beispiel Mieterstromgesetz. Mit einer Senkung der Belastung durch Umlagen und Netzgebühren, aber auch mit einer Reduzierung des bürokratischen Aufwands, der mit regionalem Stromhandel verbunden ist - Stichwort Bilanzkreise - wird die Dynamik der Energiewende wieder richtig anlaufen.
  • Gesamtgesellschaftliche Kostenvorteile: Die Gesamtkosten für eine stärker regionalisierte Energiewende wären signifikant niedriger. Siehe dazu die Studie der Prognos und der Nürnberger Universitäten: Dezentralität und zelluläre Optimierung, die von den Nürnberger Stadtwerken N-Ergie in Auftrag gegeben wurde. (Link)
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Diese Fragen müssen in der nächsten Legislaturperiode geregelt werden, aus folgenden Gründen:
  • Ausbau erneuerbarer Energie: Mit den EE-Gesetzen 2016 wurde die Notbremse gezogen; die Kosten des alten Förderungssystems wären sonst explodiert. Leider wurde dadurch der Zubau ‚Erneuerbarer' stark eingeschränkt. Es bedarf eines neuen Anlaufs, damit die Energiewende fortgesetzt werden kann!
  • Zentrale Stromregelung wird scheitern: 97% des EE-Stroms wird auf der Ebene der Verteilnetze eingespeist (Quelle VKU). Es zeichnet sich schon jetzt ab, dass die zentrale Stromregelung durch die Übertragungsnetzbetreiber rasant teurer wird (80% Kostensteigerung Anfang 2017).
  • Stromtrassen nicht rechtzeitig fertig: Wenn der Fahrplan zur Abschaltung der AKW eingehalten werden soll, braucht man Lösungen für die Zeit ab 2022, wo die Übertragungsnetze sicher noch nicht fertig sein werden. Das können nur regionale Lösungen sein, ins. die Umwandlung von Windstrom in Gas im Norden sowie der Zubau von Ersatzkraftwerken im Süden.
  • Regionale Strompolitik braucht Rechtsrahmen: Die notwendigen Maßnahmen, brauchen bald Planungs- und Realisierungssicherheit.
  • Altanlagen brauchen Rechtssicherheit: Ab 2020 läuft die Förderung der ersten PV-Anlagen aus. Damit die Anlagen nicht abgebaut werden, sondern weiter Strom liefern, muss es Regeln für die Zeit danach geben. Statt einer starren Bundesregelung empfiehlt es sich, angepasste Regelungen für Länder und Verteilnetze zu schaffen.
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Die Petition schlägt eine einfach verständliche Richtlinie vor: Jeder Verbraucher kann Regionalstrom im 50-km Umkreis um seinen Standort zu geringeren Kosten kaufen. Zielsetzung ist der lokale Ausgleich zwischen Erzeugung und Verbrauch sowie die Kostensenkung beim Netzausbau. Die Regelung ist ein wichtiger Zwischenschritt zum Aufbau regionaler Smartgrids und anderer zellulärer Strukturen. Siehe dazu die Ausarbeitung Energiewende und Dezentralität der Agora Energiewende (Link).
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Ich wünsche politischen Mut dieses Thema bald anzupacken!
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Mit freundlichem Gruß
Ulrich Schaaf

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