Architektur-Prof. Andreas Hild von der TU München hat bei der Veranstaltungsreihe ‘Klima & Energie’ einen gut besuchten Vortrag gehalten. Das Thema Klimabilanz von Einfamilienhäusern hat er zusammen mit seinem Kollegen Prof. Thomas Auer in die öffentliche Diskussion eingebracht (siehe dazu die SZ-Veröffentlichung vom 16.06.2023).
Einfamilienhäuser (EFH) sind aus ökologischer Sicht eine ungünstige Form des Wohnungsbaus: Großer Flächenverbrauch, großer Wohnflächenverbrauch, hoher Energieverbrauch und häufig nur mit dem Auto erreichbar. Der Bestand an alten EFH ist jedoch riesig: Von den 18 Mio Wohngebäuden in Deutschland sind 16,3 Mio EFH, davon 5 Mio Zweifamilien.Häuser. Nicht nur in ländlichen Gebiete sind EFH die vorherrschende Wohnform. Auch in vielen Städten wohnen mehr als die Hälfte der Einwohneer in EFH. Ca. 60% der Bewohner in München leben in EFH.
Diese Gebäude zu sanieren und aufzuwerten ist ein großer Hebel für Energiewende und Wohnungsmarkt. Wenn man nur 10% dieser Gebäude im Zuge einer Sanierung erweitern würde, entstünde Wohnfläche für mehr als 1,6 Mio Wohnungen, etwa 4 mal soviel wie die Zielsetzung der Regierung für den jährlichen Wohnungsbau.
Der Referent zeigte Beispiele für Erweiterunen von Einfamilienhäusern. Manche wurden an der Giebelseite verlängert, bei anderen wurden Zwischenräume aufgefüllt. In Studien ergaben sich 80% mehr Wohnfläche, was er aber als zu optimistische Annahme einschätzte. Interessant waren Beispiele aus Brixen (Südtirol), wo ein kommunales Programm Wohnflächen-Erweiterungen finanziell gefördert hat, wenn 20% mehr Wohnfläche entstand. Sehr häufig wurden kleine zusätzliche Wohneinhaiten, etwa Einlieger-Wohnungen gebaut.
Eine solche Strategie der Verdichtung von EFH-Siedlungen hätte wesentliche Vorteile:
Der zusätzliche Wohnraumbedarf wird bedient, ohne dass Neubaugebiete ausgewiesen werden müssen.
Ältere Hausbesitzer brauchen oft kleinere barrierefreie Wohnungen. Sie können dann überschüssigen Platz an jüngere Familien abgeben.
Ein Anbau oder eine Aufstockung kann Einnahmen generieren, die eine energetische Sanierung bezahlbar machen.
Die Energieverschwendung in den Altbauten kann gestoppt oder zumindest reduziert werden.
Prof. Hild nannte dann auch die Hürden, die überwunden werden müssen:
Bei zusätzlichen Wohnungen werden mehr Auto-Stellplätze gebraucht.
Die Abstandsflächen müssen beachtet oder im Bebauungsplan reduziert werden.
Barriere-Freiheit muss in den um- oder neu gebauten Häusern beachtet werden.
In einer ausführlichen und lebhaften Diskussion wurden die folgenden Fragen erörtert:
Der Bedarf an Infrastruktur, etwa Einkaufsmöglichkeiten oder Schulen und Kindergärten wird bei steigenden Bevölkerungszahl wachen. Hild bestätigte dies, meinte aber dass kleinteilige, fußläufig erreichbare Einrichtungen wünschenswert seien.
Der Begriff ‘Unternutzung’ in EFH-Gebieten wurde hinterfragt. Wann sind Gebäude nicht ausreichend genutzt? Der Referent zitierte die Statistik: 1950 waren durchschnittlich 28 m2/Pers üblich, heute sind es 48 m2/Pers, Tendenz steigend.
Ein Zuhörer fragte, ob die Grunderwerbssteuer, Hausbesitzer davon abhalte aus einem 'unternutzten' Gebäude auszuziehen. Der Referent kündigte an, dass sich die Forscher damit bescshäftigen werden.
Ein Bürgermeister aus der Region meinte, dass er andere Erwartungen an den Vortrag hatte, dass die schrittweise Sanierung von Altbauten zu kurz gekommen wäre. Prof. Hild verwies darauf dass der Klimawandel für EFH-Besitzer ein großes soziales Problem darstelle, insb wenn die CO2-Abgabe ihre volle Wirkung zeige. Man brauche frühzeitig Ansätze für Lösungen.
Einigkeit bestand darin, dass sich die Architekten-Ausbildung stärker auf die Weiterentwicklung des Bestands an Einfamilienhäusern konzentrieren sollte.
gez. U. Schaaf