Die Gaswirtschaft (Zukunft Gas) wirbt für Wasserstoff (H2), der künftig in den Gasnetzen statt Erdgas fließen soll. Mit dieser Botschaft ist sie erfolgreich. Als ich für eine Nahwärmelösung in einem Mehrfamilienhaus geworben habe, hörte ich: “Nein, wir haben uns für eine neue Gas-Therme entschieden; da bekommen wir dann Wasserstoff und sind klimaneutral.”
Jeder, der nur ein bisschen was von Wasserstoff versteht, glaubt das nicht.
Technisch: Die neuen Gasleitungen können grundsätzlich Wasserstoff transportieren, aber viele Komponenten im Netz sind nicht H2-ready, etwa Schieber, Druckventile, Absperrklappen und nicht zuletzt die Endgeräte in den Wohnungen oder Heizungskellern. Millionen von Geräten, die ertüchtigt, oft aber ausgetauscht werden müssen.
Finanziell: Zitat aus der Energiezeitschrift energate: “Zentrales Problem ist laut Umfrage (bei Energieversorgern) die fehlende Infrastruktur. Darauf verwiesen 80 Prozent der Befragten. Eine politisch konkret geplante und geförderte Wasserstoffinfrastruktur sei die notwendige Voraussetzung, um in Wasserstoffgeschäftsmodelle zu investieren.”
Es wird noch Jahrzehnte dauern, bis wir in unseren Verteilnetzen Wasserstoff haben werden. Und nicht zuletzt wird Wasserstoff oder seine Derivate teuer bleiben; die Industrie braucht riesige Mengen.
Die Gaswirtschaft erweckt aber den Eindruck, dass wir bald auf Wasserstoff umstellen könnten, mit der Kampagne Bei Wasserstoff voll aufdrehen.
Als die Initiative H2vorOrt gegründet wurde habe ich mich gefreut. Ich hatte gehofft, dass die beteiligten Unternehmen - durchaus Schwergewichte in der Energiebranche - jetzt voll aufdrehen, um den Erdgasnetzen Wasserstoff beizumischen, oder um künstliches Methan zu erzeugen, etc. etc.
Pustekuchen! Es folgte vor allem Bla-Bla
Es wurde eine Homepage mit Lobbyisten-Statements eingerichtet und beim Lobby-Verband eine Serie von Vorträgen Bei Wasserstoff voll aufdrehen gestartet, mit Wasserstoff-Bla-Bla!
Wir brauchen einfach mehr Ernsthaftigkeit in der Kommunikation! Derzeit empfinde ich sie als unseriös und irreführend!
Keine Frage: Wir brauchen grüne Gase wenn wir CO2-frei über den Winter kommen wollen! Auch keine Frage: Das Erdgasnetz abbauen - wie vereinzelt vorgeschlagen - wäre ein Schildbürgerstreich!
Auch beim oben erwähnten Mehrfamilienhaus wird Gas bei der Wärmeversorgung eine wichtige Rolle spielen, aber eher bei der Kraft-Wärme-Koppelung, die auch im Winter Wärme und Strom für Wärmepumpen erzeugt.
Ihre Kommunikation, liebe Kollegen aus der Gasbranche empfinde ich als unverantwortlich! Sorry!
Der Weg zu grünem Gas, den ich gerne unterstützen würde, wird langwierig sein und das muss kommuniziert werden! Vertrauen ist die wichtigste Währung!
15.10.2023
Ulrich Schaaf