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siehe auch Seiten: Exkursion Pyrolyse-Anlage Flaach (Juli 2023)

Biomasse wird künftig stark nachgefragt sein, zum Bauen mit Holz, für den Naturschutz im Wald, für die Landwirtschaft und auch zum Heizen: Stückholz, Pellets, Hackschnitzel.

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Ein technisch ausführliche Beschreibung mit den Vorteilen des Pyrolyse-Verfahrens wurde von Fritz Hindelang erstellt. Sie finden es

Über die Exkursion hat Fritz Hindelang berichtet:

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Fernwärme über Pyrolyse und Pflanzenkohle

Besichtigte Anlage:

400 kW Pyrolyse-Anlage, Hersteller: Biomacon aus Deutschland,
Betreiber: APD Auen Pflege Dienst AG, 8416 Flaach, Schweiz,

nutzt die Abwärme zur Trocknung von Hackschnitzeln, versorgt zusätzlich ein lokales Fernwärmenetz mit Wärme und erzeugt dabei Pflanzenkohle.

Führung der Besichtigung

Betreiber H. Mayer der APD und H. Ley von einem Planungsbüro für Pyrolyse Anlagen
Planungsbüro für Anlagen im Gebiet Bayern/Deutschland
Harald Ley, 82140 Olching, 0152 366 44 675

Die besichtigte Anlage in Flaach (Schweiz) verarbeitet kontinuierlich Holz-Hackschnitzel (HHS) zu Fernwärme und produziert dabei Pflanzenkohle. Die Anlage läuft seit März 2019 ohne Störung. Wartungsarbeiten können in monatlichen Abständen ohne Unterbrechung der Produktion durchgeführt werden.

Die Hackschnitzel welche in einem Nebenraum lagern werden automatisch zugeführt. Die produzierte Pflanzenkohle wird automatisch in große Säcke abgefüllt.
Keine Geruchs- oder Geräuschbelästigung bei geschlossenem Tor.

Es werden in einem lokalen Industriegebiet ca. 15 Industriebetriebe mit Fernwärme versorgt und die in Containern auf dem Betriebsgebäude lagernden Hackschnitzel vorgetrocknet. Die Fernwärmeleitung soll in den nächsten Jahren bis in die Ortschaft verlängert werden, um auch dort Haushalte mit ökologischer Fernwärme zu versorgen.

APD verlangt aktuell von den Wärmekunden einen Preis von 0,19 SFR pro kWh, aber dafür keine Grundgebühr. Die produzierte Pflanzenkohle wird selber vermarktet. Die Herstellung der Pflanzenkohle ist nach EBC-Standard zertifiziert. Für die Menge an Pflanzenkohle, für welche APD eine Nutzung im Boden nachweisen kann, erhält APD zusätzlich CO2 Zertifikate.

Der Betrieb der Pyrolyseanlage in Flaach benötigt durchschnittlich 2-3 Arbeitsstunden pro Tag. Wichtig dabei ist, dass immer ein Mitarbeiter in Bereitschaft ist, falls an der Anlage ein Störfall auftritt.

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Pyrolyse von Holzhackschnitzel zur Produktion von Fernwärme und Pflanzenkohle

Vorteil:
• Erzeugung von CO2 freier Fernwärme an 8.500 Stunden im Jahr
• Ausgangstemperatur von 95 - 105° C
• Leistungsanpassung von -50% bis + 30%
• schadstofffreie Verbrennung der Pyrolysegase
• keine Feinstaubbelastung
• dauerhafte Bindung des Kohlenstoffes in der produzierten Pflanzenkohle (CO2 Senke)
• regionale Verwertung von Schad- und Bruchholz in Form von Hackschnitzel
• regionale Verwendung von Pflanzenkohle in der Landwirtschaft

Eine Pyrolyseanlage kann auch mit anderen Biomassen betrieben werden. Die Biomasse muss aber die folgenden Eigenschaften besitzen:

• Wassergehalt zwischen 5% und 25%
• Partikelgröße <5 cm
• Brennwert größer 10 MJ/kg

Bei der Auswahl der Biomasse ist darauf zu achten, dass eine möglichst hochwertige Biokohle erzeugt werden kann, da der Wärmepreis durch den Verkaufspreis der Biokohle gemindert wird.

Für den Verkauf der Biokohle muss diese durch die EBC (European Biochar Certification) für eine von sieben Qualitätsstufen zertifiziert sein.

Dieses EBC-Qualitätszertifikat gilt nur so lange sich die Eigenschaften bzw. die Mischung der Biomasse nicht um mehr als 10% verändert. Deshalb sollte unterjährig eine Änderung der Biomasse nicht häufig erfolgen.

Klärschlamm-Pyrolyse zur Produktion von Fernwärme und phosphorhaltiger Kohle

Die Pyrolyse von Klärschlamm ist technisch möglich. Diese ist ein wichtiger Schritt, um gleichzeitig das ab 1.1.2029 rechtlich geforderte Phosphor-Recycling zu erreichen. Aktuell laufen die ersten Anfragen zur Betriebsgenehmigung solcher Anlagen.

Sobald hier die rechtlichen Grundlagen vorhanden sind, kann Klärschlamm in pelletierter Form für die Produktion von Fernwärme und phosphorhaltiger Kohle genutzt werden.

Vorteil:

• Erzeugung von CO2 freier Fernwärme
• schadstofffreie Verbrennung
• keine Feinstaubbelastung
• dauerhafte Bindung des Kohlenstoffes in der produzierten Kohle (CO2 Senke)
• regionale Verwertung von pelletierten Klärschlamm
• Phosphor-Recycling des Klärschlamms, schleißen des Stoffkreislauf für Phosphor
• geringere und dauerhaft preisstabile Entsorgungskosten für den Klärschlamm
• regionale Verwendung von phosphorhaltiger Kohle als „Düngemittelersatzstoff“ in der Landwirtschaft

Kurzbeschreibung der Pyrolyse

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  • Holzhackschnitzel werden automatisch in den Innenteil des Reaktors befördert

  • Der Reaktor hat im Betrieb unter Ausschluss von Sauerstoff eine Temperatur von 750 – 800 °C

  • Dort kommt es zum Ausgasen der Holzgase (=Pyrolysegas)

  • Das Pyrolysegas wird im Brenner schadstofffrei und ohne Feinstaub zu erzeugen verbrannt. Die Abgase werden anschließend in den Reaktor zurückgeleitet und erhitzen dort die nachfolgenden Hackschnitzel auf Prozesstemperatur

  • Anschließend gelangen die Abgase zu einem Abgaswärmetauscher und geben dort ihre Wärme für die Fernwärme im Bereich von 95 - 105° C ab.

  • 70% der Masse der Holzhackschnitzel vergasen und erzeugen damit Wärme, ca. 30% der Holzhackschnitzel bleiben als Biokohle (= reiner Kohlenstoff) erhalten

  • Die Pflanzenkohle gelangt am Ende des Prozesses automatisch aus dem Innenteil des Reaktors zur Abfüllanlage

  • Der Durchlauf der Hackschnitzel bis zur Pflanzenkohle dauert in einer 500kW Pyrolyseanlage ca. 70 – 80 Minuten

  • Zum Starten der Pyrolyse muss einmalig der Reaktor zuerst auf Betriebstemperatur
    aufgeheizt werden. Dies geschieht je nach Pyrolyseanlage entweder durch eine
    Gasflamme oder durch ein im Reaktor angezündetes Holzfeuer.

  • Die Leistung kann auf -50 bis +30% geregelt werden und läuft ohne Unterbrechung bis
    zu 8.500 Std. im Jahr

Allgemeines zu Pyrolyseanlagen

  • Einnahmen durch den Verkauf von Pflanzenkohle, CO2 Zertifikaten und Fernwärme

  • Eine 500 kW Pyrolyse-Anlage mit Holzhackschnitzel kann ca. 250 Haushalte mit
    Fernwärme versorgen

  • Ausgangstemperatur für Fernwärme von 95 - 105° C

  • Leistungsanpassung von -50% bis + 30%

  • Im Sommer kann überschüssige Wärme zusätzlich zur Vortrocknung von Hackschnitzeln
    genutzt werden

  • Das Lager für die Hackschnitzel muss ausreichend groß dimensioniert sein, um für 4-5
    Tage Hackschnitzel bevorraten zu können. Bei einer 500kW Pyrolyseanlage bedeutet
    dies ein Lagervolumen von ca. 120 – 150m³.

  • Der zentrale Wärmespeicher soll im Wärmenetz die Verbrauchsspitzen abpuffern.
    Dadurch müssen die Heizquellen nicht auf die temporären Spitzenlasten im Tagesverlauf
    ausgelegt werden, sondern deutlich niedriger. Wenn der zentrale Wärmespeicher groß genug dimensioniert ist, können damit nicht nur die Spitzenlasten im Tagesverlauf, sondern sogar Spitzenlasten über mehrere Tage ausgeglichen werden. Somit ist ein Wärmenetz umso effektiver je größer der zentrale Wärmespeicher gewählt wird.
    Bei einem Wärmenetz mit einem Jahresverbrauch von ca. 5 GWh ist ein zentraler
    Wärmespeicher von ca. 1.000 m³ eine gute Auslegung.

...

Ein 1.000m³ Wärmespeicher wird typischer Weise
direkt an die Heizzentrale gebaut.
Das Bild zeigt einen solchen Wärmespeicher

Anwendungsbereiche von Pflanzenkohle

Biogasanlagen

  • Steigerung des Gasertrags in Biogasanlagen durch die Zugabe von Biokohle (Pflanzenkohle) zum Substrat.

  • Verbesserung der Kompostierung
    Kompostbeschleuniger indem sie die Aktivität von Mikroorganismen im Kompost erhöht und
    somit den Abbau von organischen Materialien beschleunigt. Abhängig vom Substrat wird
    dadurch die Kompostierungsdauer um 20% – 30% verkürzt.

  • Biokohle bindet die im Substrat enthaltenen Nährstoffe und reduziert damit den Nährstoffverlust, z.B. durch Auswaschung, während der Kompostierung

  • Biokohle verbessert die Kompostqualität und bewirkt nach der Austragung auf den
    Boden einen stärkeren Humusaufbau.

Biokohle in der Pflanzenzucht

Eine Beimischung von 20% Biokohle zur Pflanzenerde führt bei der Aufzucht von Setzlingen zu mehreren wichtigen Vorteilen:

  • ca. 50% weniger Wasserdarf bei der Pflanzenaufzucht

  • fast vollständige Unterdrückung von Pilzbefall in der Pflanzenaufzucht

  • schnelleres und stärkeres Wurzelwachstum

  • stark reduzierter Düngemittelbedarf

Biokohle in der modernen Landwirtschaft

Die Biokohle wirkt nach der Einbringung in den Boden sowohl als Nährstoffspeicher als auch als Mircrohabitat für Bodenmikroorganismen wie Bakterien und Pilze. Durch diesen starken Zuwachs an Bodenbakterien wird die Nährstoffumsetzung für Pflanzen gefördert. Die Biokohle sorgt durch die eigene Porosität für eine deutlich stärkere Durchlüftung des Bodens. Auch dieser Effekt stärkt das Pflanzenwachstum und den Aufbau bzw. die Verbesserung der Humusschicht.

Heute ist wissenschaftlich belegt, dass Biokohle in der Landwirtschaft nicht nur für die Bodenverbesserung genutzt werden kann, sondern auch im Bereich der Viehzucht ein wichtiges Mittel auf dem Weg zu einer nachhaltigen und ökologischen Landwirtschaft ist. Biokohle lässt sich in aufeinander aufbauenden Methoden sinnvoll, Ertrag steigernd und ökologisch in der Landwirtschaft einsetzen:

  • Futterkohle: Biokohle als Futterzusatz

  • Einstreukohle: Biokohle als Zusatz zum Stalleinstreu

  • Güllekohle: Biokohle zur Gülleaufbereitung

  • Bodenkohle: Biokohle zur Bodenverbesserung

Diese vier Anwendungsbereiche der Biokohle sind dabei als kaskadierend zu betrachten, d.h. die Futterkohle wird von den Tieren nicht verdaut, sondern wieder ausgeschieden und wird dadurch folglich zur Einstreu und Güllekohle. Die Güllekohle wiederrum wird mit der Gülle zur Düngung auf das Feld ausgebracht und wird somit ein Anteil an der Bodenkohle.

Fritz Hindelang, Stand 03.08unter Seiten “Exkursion Pyrolyse-Anlage Flaach (Juli 2023)

Bericht von Reinhard Kleinhenz

über die Excursion zu einer Pyrolyseanlage in der Schweiz am 15.7.2023

Auf eine Inititative von Uli Schaaf wurde uns die Gelegenheit vermittelt, an einem Samstag
das Pyrolysewerk der APD AG in Flaach (Schweiz) zu besichtigen. Die dreistündige Fahrt war schon
aufschlussreich und kurzweilig, weil uns mit Harald Ley ein Projektor, Anlagenplaner und
Anlagenbetreiber im Kleinbus mit dem notwendigen Grundlagenwissen der Pyrolysetechnik vertraut
gemacht hat. Da das Pyrolyseverfahren nicht jedem bekannt ist, möchte ich hier zunächst diese
Verfahrenstechnik erläutern.

Anstatt Holz zu verbrennen, wird in einem Pyrolyse-Prozess (Verkohlung, keine vollständige Verbrennung) unter Ausschluss von Sauerstoff biogenes Material der Land- und Forstwirtschaft (z.B. Waldrestholz, Hackschnitzel, prinzipiell nahezu alle organischen Stoffe) bei hohen Prozesstemperaturen von 700-800 oC karbonisiert. Bei diesen hohen Temperaturen zerfallen alle biogenen Bestandteile der zugeführten Biomasse und vergasen zu einem "Pyrolysegas".

Diese Pyrolysegase werden in einem nachfolgenden Prozess getrennt schadstofffrei verbrannt. Die aus dieser Verbrennung der Pyrolysegase gewonnene Wärmeenergie wird wiederum zur Erhitzung der nachfolgenden Holzhackschnitzel genutzt.

Der gesamte Prozess ist nicht nur autotherm, sondern erzeugt ein Übermaß an thermischer Energie, die sinnvollerweise zum Betreiben eines Wärmenetzes oder eines großen Wärmeabnehmers (z.B. Hallenbad, das auch im Sommer viel Energie benötigt) genutzt werden sollte/könnte. Durch die Abwesenheit von Sauerstoff verbrennt der im Holz vorhandene Kohlenstoff nicht, sondern
verbleibt in der erzeugten Biokohle (auch als Pflanzenkohle bezeichnet), deren Eigenschaften weitere
Verwendungsmöglichkeiten bietet, die unten noch dargestellt werden.

Durch den Betrieb der APD in Flaach wurden wir vom Initiator und Mitbegründer Toni Meier geführt, der den Werdegang der Firma ausführlich schilderte und uns seine Grundüberzeugung einer
Kreislaufwirtschaft erläuterte. So werden über die Pyrolyse nicht nur weniger Ressourcen
verbraucht, sondern der Atmosphäre auch CO2 entzogen und die regenerative Landwirtschaft kann durch den Einsatz von Pflanzenkohle in der Kompostierung eine langzeitstabile Verbesserung von Böden sowie den Humusaufbau erreichen. Wie ein ökologisches Phosphor-Recycling aus Klärschlamm möglich und auf seiner Agenda steht, war ein weiterer Punkt in Maier´s spannender Erzählung.

Die Wirtschaftlichkeit derartiger Anlagen lässt sich darstellen, wenn die Wärme konstant über das ganze Jahr benötigt wird und nicht nur zur Abdeckung der Spitzenlast in den kalten Wintertagen. Während beispielsweise eine Hackschnitzelheizung auch für wenige Tage in Betrieb genommen und wieder abgeschaltet werden kann, ist dies bei einer Pyrolyseanlage nicht zielführend.

Gleichzeitig muss neben der Wärmeenergie der Absatz des Zusatzprodukts „Pflanzenkohle“ organisiert werden. Dies sollte lt. Herrn Meier kein unüberwindliches Hindernis darstellen. Es muss nur mitgedacht und geplant werden. Die APD AG verkauft diese Ware in BigPacks und hat Vertriebspartner, die für die verschiedenen Anwendungsgebiete auch entsprechende Produkte zusammenstellen und in passenden Verpackungseinheiten vertreiben.

Die Verwendung von Pflanzenkohle ist altes Wissen. Schwarz-Erde bekannt als „Terra Preta“ wird weltweit für diverse Anwendungen genutzt. Eine besondere Eigenschaft der Biokohle ist die hohe Porosität die teilweise eine Oberfläche von über 300m2/g besitzt und somit ca. die 5-fache Menge ihres Eigengewichts an Wasser und den darin gelösten Nährstoffen aufnehmen kann.

Ein Einsatzgebiet ist die Zugabe von Pflanzenkohle im Substrat für Biogasanlagen, wodurch die Steigerung des Biogasertrages nachgewiesen werden konnte. Als Beimischung von Biokohle im Kompost wird die Aktivität der Mikroorganismen erhöht, der Abbau von organischen Materialien wird beschleunigt und somit die Wirkung als Kompostbeschleuniger erreicht und nach der Austragung ein stärkerer Humusaufbau bewirkt. Außerdem wird durch die Beimischung von Biokohle die Methanproduktion bei der Kompostierung um ca. 50% reduziert. In der Pflanzenzucht führt eine Beimischung von 20% Biokohle zur Pflanzerde zu mehreren wichtigen Vorteilen wie weniger Wasserbedarf, fast vollständige Unterdrückung von Pilzbefall, schnellerem und stärkerem Wurzelwachstum, um nur einige der vielfältigen Anwendungen zu nennen.

Da der Klimawandel von uns allen neue Denkansätze und alternative Handlungsoptionen verlangt, konnten die Teilnehmer der Exkursion an einem konkreten Beispiel erleben, wie der Wandel weg von einer überwiegend fossilbasierten Wirtschaftsweise möglich ist und eine höhere Ressourceneffizienz durch Schließung von Stoffkreisläufen funktionieren kann. Dass die Veredelung von regionalen Rohstoffen nicht nur in großen industriellen Anlagen, sondern insbesondere in kleinen und mittleren Anlagen mit der Wertschöpfung vor Ort zielführend ist, war eine der wichtigsten Erkenntnisse, die wir an diesem extrem heißen Samstag mit nach Hause genommen haben.


Reinhard Kleinhenz 21.07.2023