Blog from July, 2017

Brief zur Petition: Strom von hier: JETZT!
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Guten Tag Frau Zypries, Frau Hendricks,
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ich möchte bei Ihnen für die Petition „Strom von hier: JETZT“ auf change.org werben (Link). Sie plädiert dafür, dass Regionalstrom in einem 50-km-Umkreis mit geringeren Abgaben belastet wird: Stromverbraucher können erneuerbaren Strom von Anbietern kostengünstiger kaufen, die weniger als 50-km entfernt sind. Die Petition hat jetzt mehr als 400 UnterstützerINNEN gefunden. Sie ist für die Kampagne plakativ formuliert.
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Hier im Petitionsbrief eine differenziertere Darstellung: Regionalen Strom kostengünstiger zu machen, ist aus mehreren Gründen notwendig:
  • Vor-Ort-Verbrauch: Der beste Strom ist der, der in nächster Umgebung erzeugt und verbraucht wird: Geringste Verluste, kaum Netzbelastung.
  • Verteilungsgerechtigkeit: Die kleinen Stromverbraucher bezahlen fast ausschließlich die Förderung erneuerbarer Energien (ins. über die EEG-Umlage). Große Industriebetriebe, die sehr viel Strom verbrauchen, müssen heute keine oder nur geringe Abgaben bezahlen. Eine geringe, langsam steigende Belastung dieser Großverbraucher ist tragbar! Damit werden die Lasten gerechter verteilt.
  • Verursacherprinzip: Wer seinen Strom über große Entfernungen transportieren lassen will, soll auch für die Transportkosten aufkommen! Es geht um die sehr hohen Kosten für den Bau der großen Stromtrassen: 50 Milliarden nach neuesten Schätzungen der Netzbetreiber. Ein begrenzter regionaler Stromhandel belastet dagegen die Netze nur minimal! Warum sollen alle Verbraucher mehrere Cent je kWh für die Finanzierung der großen Trassen bezahlen?
  • Effizienter Trassenausbau: Wenn ein regionaler Ausgleich von volatiler EE-Stromerzeugung mit dem Stromverbrauch erfolgt, z.B. auch mit kleinen Gaskraftwerken oder BHKW, sinken die Kosten für das Übertragungsnetz signifikant. 
  • Regionale Projekte rentabel machen: Im derzeitigen Finanzierungssystem lohnen sich lokale Projekte nur mit Förderung, Beispiel Mieterstromgesetz. Mit einer Senkung der Belastung durch Umlagen und Netzgebühren, aber auch mit einer Reduzierung des bürokratischen Aufwands, der mit regionalem Stromhandel verbunden ist - Stichwort Bilanzkreise - wird die Dynamik der Energiewende wieder richtig anlaufen.
  • Gesamtgesellschaftliche Kostenvorteile: Die Gesamtkosten für eine stärker regionalisierte Energiewende wären signifikant niedriger. Siehe dazu die Studie der Prognos und der Nürnberger Universitäten: Dezentralität und zelluläre Optimierung, die von den Nürnberger Stadtwerken N-Ergie in Auftrag gegeben wurde. (Link)
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Diese Fragen müssen in der nächsten Legislaturperiode geregelt werden, aus folgenden Gründen:
  • Ausbau erneuerbarer Energie: Mit den EE-Gesetzen 2016 wurde die Notbremse gezogen; die Kosten des alten Förderungssystems wären sonst explodiert. Leider wurde dadurch der Zubau ‚Erneuerbarer' stark eingeschränkt. Es bedarf eines neuen Anlaufs, damit die Energiewende fortgesetzt werden kann!
  • Zentrale Stromregelung wird scheitern: 97% des EE-Stroms wird auf der Ebene der Verteilnetze eingespeist (Quelle VKU). Es zeichnet sich schon jetzt ab, dass die zentrale Stromregelung durch die Übertragungsnetzbetreiber rasant teurer wird (80% Kostensteigerung Anfang 2017).
  • Stromtrassen nicht rechtzeitig fertig: Wenn der Fahrplan zur Abschaltung der AKW eingehalten werden soll, braucht man Lösungen für die Zeit ab 2022, wo die Übertragungsnetze sicher noch nicht fertig sein werden. Das können nur regionale Lösungen sein, ins. die Umwandlung von Windstrom in Gas im Norden sowie der Zubau von Ersatzkraftwerken im Süden.
  • Regionale Strompolitik braucht Rechtsrahmen: Die notwendigen Maßnahmen, brauchen bald Planungs- und Realisierungssicherheit.
  • Altanlagen brauchen Rechtssicherheit: Ab 2020 läuft die Förderung der ersten PV-Anlagen aus. Damit die Anlagen nicht abgebaut werden, sondern weiter Strom liefern, muss es Regeln für die Zeit danach geben. Statt einer starren Bundesregelung empfiehlt es sich, angepasste Regelungen für Länder und Verteilnetze zu schaffen.
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Die Petition schlägt eine einfach verständliche Richtlinie vor: Jeder Verbraucher kann Regionalstrom im 50-km Umkreis um seinen Standort zu geringeren Kosten kaufen. Zielsetzung ist der lokale Ausgleich zwischen Erzeugung und Verbrauch sowie die Kostensenkung beim Netzausbau. Die Regelung ist ein wichtiger Zwischenschritt zum Aufbau regionaler Smartgrids und anderer zellulärer Strukturen. Siehe dazu die Ausarbeitung Energiewende und Dezentralität der Agora Energiewende (Link).
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Ich wünsche politischen Mut dieses Thema bald anzupacken!
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Mit freundlichem Gruß
Ulrich Schaaf
AC-DC: Edisons späte Rache

Vor 150 Jahren tobte in den USA ein erbitterter Fight, ob man ein Gleichstrom- oder ein Wechselstromnetz aufbauen sollte. (Siehe den gut zu lesenden Artikel in der Welt-N24: Link). Thomas Edison (Erfinder der Glühbirne) setzte sich vehement für ein Gleichstromnetz (DC) und George Westinghouse für Wechselstrom (AC) ein.

Wechselstrom setzte sich durch; aber Gleichstrom hat eine Renaissance: Erneuerbare Energie und neue Geräte arbeiten überwiegend mit Gleichstrom:

  • PV-Anlagen produzieren Gleichstrom, der zur Einspeisung - mit Verlust - in Wechselstrom umgewandelt wird.
  • Batterien speichern und geben Gleichstrom ab.
  • Windkraftanlagen können je nach Generator sowohl Gleich- als auch Wechselstrom produzieren
  • Beim Stromtransport über große Strecken wird auf Gleichstrombasis gearbeitet: HGÜ Hochspannungs-Gleichstrom-Übertragung
  • LED-Lampen arbeiten mit Gleichstrom, sowie alle Computer- und IT-Geräte
  • Ein neuer USB-Standard, der eine Geräteversorgung von 100 W erlaubt, könnte die Schuko-Stecker teilweise ablösen

Wie unsinnig es ist, den Strom laufend umzuwandeln, zeigt die Elektromobilität:

  • PV-Strom > Wechselrichter > Wechselstrom
  • Wechselstrom > Gleichstrom > Zwischenbatterie
  • Batteriestrom > Wechselrichter > Wechselstrom
  • Wechselstrom > Gleichstrom > Autobatterie

Der PV-Strom wird also dreimal umgewandelt, bevor er in die Autobatterie kommt. Jedesmal gehen ca. 7% bei der Umwandlung verloren.

Die Entwickler arbeiten derzeit intensiv daran, diese unnötigen Transformationen zu vermeiden. Derzeit sieht es so aus, als ob in größeren Gebäuden ein paralles Gleichstromnetz aufgebaut wird, das parallel zum Wechselstromsystem arbeitet. Hier eine Folie, die Bernd Wunder vom Fraunhofer IISB bei einem Workshop (Link) in Nürnberg zeigte:

Im eigenen Gebäude probiert das IISB sowas aus und entwickelt Geräte für dieses Gleichstromnetz.

Wir können sicher sein, dass uns noch viele Neuerungen ins Haus stehen!

 

Feedback zur Petition: Strom von hier: JETZT

Viele Bekannte, die ich um Unterschrift gebeten habe, tun sich schwer, auf einer "Empörungsplattform" wie Change.org zu unterschreiben. "Alles zu links und zu grün". Kann ich gut verstehen und schätze die Skepsis: Siehe Artikel 'Drückerkolonne' aus dem Feuilleton der FAZ.

Bei aller Skepsis: Diese Petition wurde gut recherchiert und wird durch seriöse Personen und Institutionen gedeckt:

  • So schreibt Dominique Saad vom Bündnis Bürgerenergie:
    "Insgesamt sind Vorstöße aus der Bevölkerung sehr wichtig, um der Politik die Verbundenheit der Bürgerinnen und Bürger zur Energiewende klar zu machen und zu zeigen, dass das keine Transformation, ohne Beteiligung der Bevölkerung sein kann. Demnach sind solche grassroots-Bewegungen wichtig, da diese Signalwirkung haben können."
    Und etwas kritischer:
    "Insgesamt sehen wir von Seiten des BBEn die Entwicklungen ebenso sehr kritisch. Es werden den Bürgerinnen und Bürgern an vielen Stellen Hürden hingestellt, um eine dezentrale Energiewende zentral gesteuert ablaufen zu lassen. Das begrenzt leider auch die Möglichkeiten der EEG-Umlagen-Befreiungen, wie man es an der Umsetzung des Mieterstromgesetzes sehr gut ablesen kann."
  • Prof. Dr. Klaus Buchner, früher Vorsitzender der ÖdP, jetzt Mitglied des Europaparlaments befürwortet meine Initiative:
    "Ihr Projekt halte ich für sehr sinnvoll, unterstütze es und gebe es gern an den Bundesverband der ÖDP weiter. Die Erneuerbaren Energien werden bei uns auf vielfältige Weise behindert. Deshalb habe ich mich in der vergangenen Woche für eine geänderte Gesetzgebung der EU für Wasserstoff-Speicher eingesetzt und versuche, ein großes Demonstrationsobjekt zu verwirklichen, das den Unsinn beenden soll, dass wir zur Netzstabilisierung ständig Kohlekraftwerke auf viele Hundert Grad hochheizen, um genügend Strom zu haben, wenn wenig Sonne und Wind zur Stromerzeugung zur Verfügung stehen."
  • In der Fachwelt wird eine dezentrale Energiewende von namhaften Personen und Institutionen unterstützt:
    > Der EWSA (Europ. Wirtschafts- & Sozialausschuss) schreibt: " . . . Wir müssen eine ganz andere Philosophie von Energiesystemgestaltung entwickeln. Diese sollte aus vielen kleinen, mehr oder weniger teilautarken Versorgungsinseln bestehen, die miteinander verbunden sind. . ." (Link)
    > Die Nürnberger Stadtwerke N-Ergie haben eine Studie beim Basler Prognos-Institut und der Universität Erlangen-Nürnberg in Auftrag gegeben. Zentrale Aussage der Studie:
    "Das aktuelle Vorgehen bei der Netzausbauplanung in Deutschland berücksichtigt die Wechselwirkung der Kostenentwicklung von Erzeugung, Verbrauch und Übertragungsnetz nur unzureichend: (1) Der HGÜ-Netzausbau in Deutschland lässt sich halbieren. (2) Effizienzgewinne von 1,7 Mrd. Euro pro Jahr sind möglich." (Link)
    > Frau Katherina Reiche, CDU-Frau und Hauptgeschäftsführerin beim VKU (Verband kommunaler Unternehmen) wurde von der Zeitschrift Welt interviewt: ". . .wir reden über eine dezentrale Energiewende. 97 Prozent der erneuerbaren Energien werden von den Verteilnetzen aufgenommen. Da kann eine zentrale Lösung – wie von den Übertragsnetzbetreibern vorgeschlagen – nicht richtig sein. . ." Das Interview ist überschrieben mit: "Stadtwerke warnen vor neuem Energiemonopol" (Link)
  • Ein guter Freund, der auf dem Energiesektor tätig ist und mich mit Fachwissen und guter Kritik versorgt, schreibt mir:
    "Leider bin ich der Meinung, dass Deine Initiative, die Regionalstromvermarktung zu ermöglichen, zu kurz greift. Aus meiner (privaten) Sicht will ein Konglomerat aus großen Industrieunternehmen und Energieversorgern die Energiewende nicht, weil diese zu einem (gegenüber früher) Kontrollverlust (EVU) und sinkender Wettbewerbsfähigkeit (Industrie, zumindest für eine Übergangszeit) führt. Diese Leute, die die Energiewende nicht wollen, sind leider sehr einflussreich. So wurde (und das ist der Grund, warum ich glaube, dass lediglich die Initiative Regionalvermarktung nicht ausreicht) eine ganze Reihe von Regelungen auf den Weg gebracht, die die Energiewende ausbremsen. Als Beispiele seien genannt:
    -       Finanzierung der EEG-Umlage durch immer weniger Akteure (die Schwelle für die Befreiung wurde um den Faktor 10 (!) abgesenkt)
    -       Vergabe von EEG-Förderung nach Ausschreibung mit hohen Anforderungen zur Zulassung zum Verfahren sowie Deckelung der Vergabemengen
    -       Gezieltes Gegen-die-Wand-fahren-lassen des europäischen CO2-Handelssystems durch kostenlose Ausgabe großer Mengen Zertifikate und Verhinderung deren Zurücknahme zur künstlichen Verbilligung der Kohle
    -       Vorbereitung eines sehr unambitionierten Gebäude-Energiegesetzes, das den EE-Wärmemarkt bzw. eine Wärme-Energiewende in Schwung hätte bringen können
    -       Schutz der Autohersteller auch bei Betrug, so dass auch keine Verkehrswende in Schwung kommt
    -       usw."

Aus meiner Sicht:

Ja der Freund hat Recht: Es geht natürlich um Machtfragen! Mit der EEG-Reform 2016 wurde eine Rezentralisierung der Energiepolitik beschlossen und die Energiewende massiv behindert. Das Ganze kann man aber nicht in eine Petition packen. Deshalb habe ich eine - eigentlich - kleine Maßnahme vorgeschlagen, damit die regionale Seite im Machtkampf etwas bessere Chancen hat. Ich bin sicher, dass das Oligopol der Netzbetreiber sich dagegen wehren wird. Deshalb um so mehr:

Weg mit der EEG-Umlage im 50 km-Umkreis!

 gez. U. Schaaf