Was läuft schief in Deutschland?

Die Pandemie hat Deutschland’s Schwächen schonungslos offengelegt. Aber nicht nur beim Gesundheitsmanagement krankt es, Großprojekte gehen schief (Berliner Flughafen), der Umwelt- und Klimaschutz ist teuer und nicht sehr wirksam.

Karikatur aus der NZZ
(Neue Zürcher Zeitung)

zu einem Artikel von René Höltschi:

‘Ruck, zuck, zack, zack', -
Die Mär von der deutschen Effizienz

Aus meiner Sicht trifft die Analyse voll und ganz zu!

Überhaupt schätze ich die Sicht von außen, von der Schweiz auf Deutschland. Registrierte Benutzer erhalten kostenlose Newsletter. (www.nzz.ch)

Höltschi als Korrespondent der NZZ in Berlin fragt:

‘Deutschland geniesst weltweit den Ruf eines gut organisierten, effizienten Landes mit tüchtigen Ingenieuren. Warum nur macht es in der Pandemie eine immer schlechtere Figur?’

Seiner Analyse kann ich weitgehend zustimmen. Er identifiziert fünf Aspekte, bei denen sich Deutschland selbst im Weg steht:

  1. Deutsche Gründlichkeit
    'Die sprichwörtliche deutsche Gründlichkeit neigt zur Übertreibung, womit sie von einer Tugend in das Laster der Bürokratie umschlagen kann.'

  2. Hang zur Feinsteuerung
    In Deutschland gibt es - so Höltschi - einen ‘Hang zur staatlichen Feinsteuerung, der Eigeninitiativen behindert und Befehlsempfänger sowie Subventionsjäger heranzüchtet. Auch hierfür liefert die Klima- und Wirtschaftspolitik ebenso Anschauungsmaterial wie die Corona-Krise . . .’

  3. Fatale Liebe zum Papier
    'Ein dritter Effizienzkiller ist die fatale Liebe zum Papier bzw. der Rückstand bei der Digitalisierung.'

  4. «German Angst»
    'Risikoaversion und Skepsis gegenüber Neuem. Diese Eigenschaften sind für satte Wohlstandsgesellschaften nicht untypisch, doch erscheint Deutschland als besonderes Eldorado der Bedenkenträger: . . .'

  5. Palaver statt Tempo
    'Wo rasche, pragmatische Lösungen nötig wären, verliert sich Deutschland allzu oft in epische Grundsatzdebatten. . . .
    Natürlich ist Datenschutz wichtig, doch müsste er abgewogen werden gegen andere Güter wie Bewegungsfreiheit und Gesundheitsschutz.'

‘Bei aller Kritik ist die deutsche Effizienz natürlich nicht völlig verloren gegangen. Dass der Corona-bedingte Einbruch der Wirtschaftsleistung bis jetzt weniger heftig ausfällt als in vielen anderen europäischen Ländern, ist nicht zuletzt einer kräftigen Nachfrage nach deutschen Investitions- und langlebigen Konsumgütern aus Asien und den USA zu verdanken. Ganz so schlecht können diese Produkte also nicht sein.’

Er sieht die deutschen Stärken nach wie vor im Know-How der Mitarbeiter, in der Qualität der Forschung und in der soliden Finanzpolitik, die in der Krise viel geholfen hat.

‘Doch um wie viel effizienter könnte Deutschland sein, würden solche Stärken mit mehr Pragmatik, Risikofreude und Vertrauen in Eigenverantwortung sowie weniger Feinsteuerung und Überregulierung gepaart. Wer weiss, vielleicht erfolgte dann sogar das Impfen «ruck, zuck, zack, zack».’

Wenn die Corona-Krise irgendwann Geschichte ist, wünsche ich mir einen genauso analytischen Blick auf die Effizienz politischen Handelns in den Staaten der EU. Besonders interessiert mich, welchen Einfluss zentrale und föderale Strukturen auf die Bewältigung schwieriger Aufgaben wie Pandemie und Klimaschutz haben.

Ein sehr interessantes Interview dazu gab Winfried Kretschmann; baden-württembergischer Regierungschef im Nov. 2020: Das Virus zeigt uns unsere Grenzen auf.

gez. U. Schaaf