Redispatch2.0 - offener Brief an Politiker

Bei 'Redispatch' geht es um die Steuerung des schwankenden Stromangebots und den Abgleich mit dem Stromverbrauch. Bisher wurde dies über die großen Kraftwerke geregelt (Redispatch1.0). Nachdem diese nach und nach abgeschaltet werden, muss die Stromsteuerung zunehmend kleine Anlagen zur Steuerung heranziehen.

 

Der Gesetzgeber hat jetzt im Zuge einer Gesetzesänderung auf diese neuen Anforderungen reagiert. Aus meiner Sicht gibt es zwei wichtige Fragen, die ich - vor der Wahl - an einen Verteiler von ausgewählten Bundestagsabgeordneten geschickt habe:

  • Sollen die kleinen Anlagen jetzt auch von den vier großen Netzbetreibern gesteuert werden oder wird ein dezentraler Stromausgleich vor Ort eingeführt?

  • Die Bundesnetzagentur hat in Zusammenarbeit mit dem bdew eine IT-Schnittstelle zur Automatisierung der Kommunikation zwischen Netzbetreibern ausgearbeitet. Dieses komplexe Regelwerk soll jetzt sofort in Kraft treten und IT-gesteuert umgesetzt werden. Wird dies in der Praxis funktionieren oder ist ein Disaster wie bei der Einführung der Smart-Meter zu befürchten?

Diese Fragen habe ich in einem offenen Brief den Mandatsträgern im Bundestag gestellt:

Geschätzte Mitglieder der Bundestags,

Sie stecken derzeit im Wahlkampf-Stress! Darf ich Sie trotzdem auf ein Thema der Energiewende ansprechen, das nur scheinbar technischer Natur ist: Redispatch2.0. Aus meiner Sicht geht es dabei um eine grundsätzliche Weichenstellung: Werden wir ein zentral gesteuertes Stromnetz bekommen oder ein zelluläres Energiesystem?

Mit der Novelle des Netzausbaubeschleunigungsgesetzes (NABEG) wurde eine Gesamtlogik zur Steuerung des Stromnetzes (Arbeitstitel Redispatch2.0) definiert. Damit wird eine äußerst wichtige Frage des künftigen Energiesystems angesprochen: Wie können wir die Stabilität des Stromnetzes sicherstellen, wenn immer mehr wetterabhängiger (volatiler) Strom eingespeist wird?

Ich möchte als Bürger, dem die Energiewende - dezentral & digital - wichtig ist, Fragen stellen: Siehe dazu meinen Blog-Eintrag Redispatch2.0 - eine gute Weichenstellung?, der auch als Anhang beigefügt ist. Zwei Gründe, warum diese Fragen m.E. so wichtig sind:

  1. Wird mit Redispatch2.0 eine zentralistische Stromsteuerung angestrebt?
    Die Übertragunsnetzbetreiber (ÜNB) haben bisher schon das Stromnetz über große Kraftwerke gesteuert. Sollen diese jetzt ihr Steuermonopol behalten und direkt kleine Anlagen bis in die Verteilnetze und sogar bis in den Prosumerbereich hinein an- und abschalten? Damit würde ein notwendiger Paradigmenwechsel hin zu einem zellulären Energiesystem verhindert.

  2. Die Digitalisierung des Stromnetzes wird falsch angepackt!
    In typisch deutscher Manier (siehe Cloud-Projekt GAIA-X) wird ein Gesamtkonzept auf dem Papier erstellt und sofort in ein Gesetz gegossen. Die praktische Realisierung wird sicher nicht zeitgerecht hinterherkommen und das Gesamtkonzept wird bald veraltet sein. Ein Desaster wie bei den Smart-Metern ist zu befürchten. Warum nicht auf pebbles-c/sells-SINTEG- oder andere Erfahrungen aufbauen und zelluläre Ansätze weiter erproben und skalieren?

Klima, Energie und Umwelt werden die wichtigsten Themen in der neuen Legislaturperiode sein. Bitte fördern Sie den Transfomationsprozess über ein zelluläres Energiesystem und verhindern bürokratische Digitalisierung.

Mit freundlichem Gruß
U. Schaaf

Der Brief ging an:

  • Peter Altmaier

  • Karl-Heinz Brunner (nicht mehr im Bundestag)

  • Timon Gremmels

  • Andreas Jung

  • Oliver Krischer

  • Andreas Lenz

  • Anja Weisgerber

  • Klaus Mindrup (nicht mehr im Bundestag)

  • Ingrid Nestle

  • Stephan Stracke

  • Stephan Thomae

  • Martin Neumann (nicht mehr im Bundestag)

  • Florian Pronold (nicht mehr im Bundestag)

  • Annalena Baerbock

  • Christian Lindner